Als Nuggets noch Goldstücke und Hamburger nicht essbar waren
Essen früher und heute

(13.02.08) Es gab eine Zeit, da waren „Hamburger“ für Kinder noch Bürger einer norddeutschen Großstadt und nicht fleischklopsgefüllte Brötchenhälften aus Weichteig. „Nuggets“ kannten Kinder damals – es waren die Sechziger- und Siebzigerjahre – allenfalls aus Karl-May-Filmen als Goldstücke, wenn sie alt genug waren fürs Kino. Heute sind Nuggets aus Hühnerfleischbrei gepresste Bestandteile von kalorienreichen Kindermenüs in Fastfood-Ketten. Ernährten Kinder sich damals gesünder, bewegten sie sich mehr als heute? Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund sagt Ja und erklärt Essgewohnheiten von damals und heute.

„Bei Kindern von heute stimmt die Energiebilanz nicht mehr“, weiß Ernährungswissenschaftlerin Mathilde Kersting, stellvertretende Leiterin des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund. „Sie nehmen zwar nicht mehr Kalorien zu sich als vor einigen Jahren, aber sie verbrauchen viel weniger.“ Besteht dieses Missverhältnis dauerhaft, ist Übergewicht die Folge.

Früher war Bewegung ganz normal

In der Nachkriegszeit hatten Kinder und Erwachsene Nachholbedarf. Statt wie zu Kriegszeiten Lebensmittelmarken einzulösen, konnten sie nun wieder einkaufen gehen. Buttercreme, „kalte Schnauze“ – diese herrliche Kalorienbombe aus Schokolade und Keksen – und Currywurst mit Pommes waren neue, beliebte Gerichte. Das Essen war kalorienreich, aber das machte nichts, denn die Kinder brauchten viel Energie: Sie liefen zur Schule oft kilometerweite Wege und spielten nachmittags nach den Hausaufgaben, bis sie müde waren. Fernseher gab es erst wenige und Computer überhaupt nicht. Gegessen wurde zu festen Zeiten, nicht ständig zwischendurch. Alle Lebensmittel waren auch noch nicht immer verfügbar.

„Heutzutage sind Kinder dagegen ständig den Verlockungen von Essen und Getränken ausgesetzt – in jedem Schnellrestaurant oder jedem Supermarkt müssen sie nur zupacken“, sagt Kersting. Das Schokobonbon am Kiosk war früher ein seltenes Glück, heute ist es nichts Besonderes mehr. Mit steigendem Wohlstand in den 60er-Jahren gingen die Deutschen auf Reisen – nach Italien zum Beispiel. Dort lernten sie die ausländische Küche kennen und schätzen. Gleichzeit begannen viele Frauen zu arbeiten, das Einkommen der Haushalte stieg, die Zeit aber wurde knapp. Deshalb eroberten erste Fertiggerichte den Markt – zum Beispiel begann damals der Siegeszug von Nudeln mit Tomatensauce.

In den 70ern öffneten Fast-Food-Ketten

In den 70er-Jahren öffneten die ersten Fast-Food-Ketten. Fertiggerichte und Hamburger wurden aber noch wenig gegessen. Das änderte sich in den 80er-Jahren. Fernseher flimmerten nun in jedem Wohnzimmer, und die Marketingstrategen entdeckten Kinder als eine wichtige Zielgruppe. Überzuckerte sogenannte Kinderlebensmittel und Zerealien wie Cornflakes waren nun gang und gäbe. Der Herd verlor an Bedeutung – wer Appetit hatte, bediente sich gleich aus dem Kühlschrank. Das gemeinsame Essen mit der ganzen Familie wurde ebenfalls seltener.

Tolle Tipps von Sternekoch Kolja Kleeberg

Heutzutage kommen in vielen Familien nur noch wenige Nahrungsmittel auf den Tisch, da alles schnell gehen muss. „Anstatt viel Gemüse bekommen manche Kinder von den Eltern hauptsächlich Nudeln und Fleisch serviert“, weiß Kersting. Dabei bestimmt auch hier das Angebot die Nachfrage: Nur was die Jungs und Mädchen kennen, können sie auch mögen. Mütter und Väter sollten deshalb Vorbild sein und ihren Kindern zeigen, dass gesundes Essen gut schmeckt. Tolle Tipps hat zum Beispiel Sternekoch Kolja Kleeberg in der AOK-Broschüre „63 Tipps mit Biss“ gesammelt.

Vorsicht bei Cheeseburgern und Co.

Natürlich sind Cheeseburger und Co. verlockend – aber sie sind mit Vorsicht zu genießen. Denn Fast-Food macht seinem Namen alle Ehre: Es wird schnell, manchmal hektisch, verzehrt. Der Magen schafft es gar nicht, dem Gehirn mitzuteilen, dass er bereits voll ist und keinen Bedarf mehr hat. Die Folgen: „Die Kinder essen diese typischen, kombinierten Fast-Food-Gerichte aus Burger, Pommes und süßem Getränk immer auf und deshalb mehr als sie müssten“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. „Ein typisches Kindermenü in einem Schnellrestaurant kann beispielweise bis zu 1.200 Kalorien enthalten.“ Ein sieben- bis neunjähriges Kind benötigt aber nur 1.800 Kalorien am Tag.

Auch bei den Getränken ist Vorsicht geboten. In Limonade lauern nämlich viele Kalorien. Was aber die meisten nicht wissen: „In Fruchtsäften ist genau so viel Energie enthalten wie in anderen süßen Getränken“, warnt Kersting. Auch das war früher anders – da waren süße Getränke die Ausnahme. Früher tranken die Kinder Früchte- und Kräutertee oder Wasser, alles kalorienfrei. Wenn Eltern die Trinkgewohnheiten ihrer Kinder umstellen möchten, rät die Expertin: „Verdünnen Sie Säfte nach und nach mit mehr Wasser und zählen Sie Limo zu den Süßigkeiten, die nur ab und zu verzehrt werden.“ Wenn sich die Kinder langsam daran gewöhnen können, akzeptieren sie es eher, als wenn die Getränke von Anfang an stark verdünnt werden.

Ideal: Fünf Mahlzeiten am Tag

Idealerweise sollten Kinder fünf Mahlzeiten am Tag essen. Zu jeder gehört Obst und Gemüse, Früchte- oder Kräutertee oder Wasser. Und selbstverständlich darf auch Süßes und ab und zu Fast-Food auf dem Speiseplan stehen. Wichtig ist, dass es nicht zur Gewohnheit wird und dass sich das Kind regelmäßig bewegt. „Entscheidend ist, dass sich Kinder jeden Tag bewegen“, sagt Kersting. „Einmal in der Woche Sport zu treiben, ist gut, aber es darf nicht alles sein.“

Dass gesundes Essen schmeckt und viel Bewegung Spaß macht, zeigt die AOK mit ihrem Präventionsprojekt »TigerKids«. Es ist im Herbst 2007 in etwa 1.000 Kindergärten in ganz Deutschland gestartet und soll bis Ende 2009 mehrere tausend Einrichtungen erreichen. Das Projekt ist Teil der AOK-Initiative »Gesunde Kinder – gesunde Zukunft«.

Quelle: AOK-Mediendienst