Internationale Grüne Woche: Mehr Klimaschutz auf Acker, Ladentheke und Küchentisch
Land- und Ernährungswirtschaft können mehr leisten

16.01.2008 – Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mehr Einsatz der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft beim Klimaschutz. „Was wir heute essen und wie es produziert wird, entscheidet über das Klima von morgen“, so Vorstand Gerd Billen. „Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft können einen maßgeblichen Beitrag leisten und ihre Treibhausgase drastisch reduzieren.“ Förder- und Anreizprogramme müssten auf ihre Kosten und Klima-Effektivität hin überprüft werden. „Unsere Ernährungsmuster und Ernährungsgewohnheiten gehören auf den Klimaprüfstand.“

Die Treibhausgas-Emissionen, die durch Anbau, Verarbeitung und Zubereitung unserer Ernährung entstehen, haben einen Anteil von 16 bis 20 Prozent an dem von Menschen verursachten Treibhauseffekt. Doch während Kraftwerke und Autos Höchstwerte und Neubauten Standards einhalten müssen, bleibt der Agrarsektor bislang außen vor. „Es ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel, dass die Landwirtschaft im Klimaprogramm der Bundesregierung mit keinem Wort auftaucht“, moniert Billen. Der Dachverband der deutschen Verbraucherorganisationen fordert die Bundesregierung und die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft auf, ein verbindliches Maßnahmenpaket zur Reduktion von Treibhausgasen in der Agrar- und Ernährungsbranche zu entwerfen. Gleichzeitig müsse ermittelt werden, welchen Beitrag Land- und Forstwirtschaft zur Bindung von Kohlendioxid leisten können.

Landwirtschaft – weniger Dünger, mehr Öko

Hauptproblem der deutschen Landwirtschaft ist nach Dr. Dietrich Schulz vom Umweltbundesamt der Einsatz von Stickstoffdünger und die dadurch verursachte Freisetzung von Lachgas – mit etwa zwei Dritteln Ursache des durch die Landwirtschaft verantworteten Klimawandels. „Weniger Düngemittel und vor allem ein effizienterer Einsatz ist daher oberstes Gebot.“ Zudem betont er die Bedeutung des Bodenschutzes im Kampf gegen den Klimawandel. „Die Entwässerung und der Umbruch von Niedermoorgrünland haben den gleichen Effekt wie die Rodung von Wäldern – sie vernichten Kohlenstoffspeicher.“ Moore, Wälder und Grünland müssten erhalten und wieder angelegt werden. Aber auch durch Umstellung auf Minimalbodenbearbeitung oder Ökolandbau werde Humus im Boden angereichert und dadurch der Atmosphäre CO2 entzogen. Gerd Billen: „Eine Stärkung der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik, der Agrar-Umweltprogramme und die Wiedereinführung und Aufstockung von Umstellungshilfen für den Ökolandbau, leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz“.

Biomasse so effizient wie möglich einsetzen

Als Maßnahme zum Klimaschutz fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Neuausrichtung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). „Mit dem eingesetzten Geld muss eine größtmögliche Einsparung von Treibhausgasen erreicht werden“, so Billen. Die Pflicht zur Beimischung von Biodiesel zu Treibstoffen sei ineffizient. Die Energie aus Biomasse müsse dort eingesetzt werden, wo sie am effektivsten sei, nämlich als dezentrale Energiequelle zur Strom- und Wärmegewinnung. „Den zu hohen Treibstoffbedarf im Verkehr durch Biomasse zu decken, ist eine klimapolitische Sackgasse.“ Die Beimischungsquote vermindere den Druck auf die Industriestaaten, die Verkehrssysteme auf öffentliche Transportmittel und effiziente Kraftfahrzeuge umzusteuern.

Brot vor Energie

Falsche Anreize setzt das EEG nach Ansicht des Bundesverbandes auch bei der Förderung von Bioenergie. „Es kann nicht sein, dass Landwirte mehr verdienen, wenn sie Getreide zur Energieerzeugung verbrennen, statt in die Lebensmittelproduktion einzubringen“, kritisiert Billen. Die zunehmende Flächenkonkurrenz geht erheblich zu Lasten der Lebensmittel- und Futtergetreideproduktion. „Angesichts einer sich weltweit abzeichnenden Lebensmittelknappheit und steigender Lebensmittelpreise muss die Nahrungsmittelversorgung oberste Prämisse sein“, so Billen. „Die Herstellung von Nahrung ist die Hauptaufgabe der Landwirtschaft, erst danach kommen Strom, Wärme und Kraftstoffe für Autos.“

Essen eine Klimasünde?

Billen rief auch die Verbraucher auf, mit ihrem Ernährungsverhalten einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten: „Weniger Fleisch, mehr Obst und Gemüse, mehr saisonale, regionale und ökologisch erzeugte Lebensmittel. Das ist nicht nur gesünder, sondern schützt auch das Klima.“ Die Klima-Bilanz eines Lebensmittels müsse zum zusätzlichen Entscheidungskriterium werden. Zum Beispiel sind die Treibhausgas-Emissionen für ein Kilogramm Rindfleisch vier Mal so hoch wie für ein Kilogramm Schweine- oder Geflügelfleisch. Ein höherer Fettgehalt eines Milchproduktes geht automatisch mit höheren Emissionen einher und Gemüse aus der Tiefkühltruhe belastet das Klima dreimal mehr als Frischgemüse. „Unsere Ernährung trägt in gleicher Größenordnung zum Treibhauseffekt bei wie unsere Mobilität und gehört daher bei der politischen Diskussion um den Klimaschutz mit auf die Tagesordnung“, so Dr. Ulrike Eberle vom Öko-Institut. „Verbraucher können durch eine bewusste Ernährung ihre persönliche Klimabilanz verbessern.“ Ebenso notwendig seien aber auch energieeffiziente Haushaltsgeräte, denn die Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln verursacht fast die Hälfte der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen.

Klima-Label für Lebensmittel

Voraussetzung, damit Verbraucher Lebensmittel an der Ladentheke einem Klimacheck unterziehen können, sind glaubwürdige Kennzeichnungssysteme für klimafreundliche Produkte. „Hier müssen die Lebensmittelwirtschaft und der Lebensmittelhandel ihre Kunden mit den relevanten Information versorgen“, so Billen. Zudem müsse die Herkunftskennzeichnung für regionale Produkte verbessert werden. Ähnlich wie in Großbritannien sollten sich Lebensmittelwirtschaft und -handel konkrete Klimaschutzziele setzen. Emissionen in Produktion, Lagerung, Logistik und Verpackung können beispielsweise durch eine verbesserte Energieeffizienz, die Wahl klimafreundlicher Transportmittel oder die Minimierung von Verpackungsmaterial reduziert werden.

Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)